Mehr Fragen als Antworten

Eine hervorragende Veranstaltung zum Thema Brexit mit der Europaabgeordneten Kerstin Wetsphal.

10. November 2016

Vor etwas mehr als vier Monaten haben sich die Briten entschieden, die europäische Union zu verlassen. Das britische Pfund ist seit dieser Zeit im freien Fall. Aber bisher haben die Briten immer noch keinen offiziellen Antrag auf Verlassen der europäischen Union gestellt. Der SPD Kreisverband Main-Spessart und der Ortsverein Karlstadt hatten die sozialdemokratische Europaabgeordnete Kerstin Westphal eingeladen, um mit ihr über die Konsequenzen des britischen Austritts zu diskutieren.

« Wir konnten es gar nicht fassen, als wir am 24. Juni die Nachrichten hörten und feststellen mussten, dass Großbritannien aus der EU austreten will. Die Populisten hatten gesiegt und der Katzenjammer war groß, » so Kreisvorsitzender Sven Gottschalk bei seiner Begrüßung. Kerstin Westphal griff die Einlassungen von Gottschalk auf und betonte, dass selbst die britischen Buchmacher mit ihren Prognosen voll daneben gelegen hatten und nie mit einer derartigen Entscheidung gerechnet hatten. Entschieden haben in erster Linie die älteren Briten, da viele junge Leute einfach nicht zur Abstimmung gegangen sind. Ferner waren alle Briten, die länger als 15 Jahre im Ausland lebten, von der Entscheidung ausgeschlossen. « David Cameron, der damalige britische Premierminister, hat mit dem Feuer gespielt und den Briten diese Abstimmung versprochen, um von seinen Partei-und Regierungsproblemen abzulenken, und prombt ist diese Entscheidung für ihn fatal ausgegangen, » so Westphal. Die Ersten, die in Großbritannien nach dieser Entscheidug laut aufgeschrien haben, waren die Bauern, die Millionen von Subventionen von der EU erhalten und diese nun schwinden sehen.

Brexit

Die Europaabgeordnete sprach auch zum Procedere des Austritts. Die 73 Abgeordneten aus Großbritannien bleiben auf alle Fälle zunächst Mitglied des EU-Parlaments. Die Briten zögern die Antragstellung immer weiter hinaus. Westphal äußerte Zweifel, ob der von der jetzigen Premierministerin Theresa May angekündigte Termin im März 2017 auch eingehalten wird. Die EU kann im Gegensatz zum Aufnahmeverfahren, beim Verlassen eines Mitgliedstaates keinerlei Druck ausüben oder Fristen setzen. Das Heft des Handelns liege alleine bei den Briten. Kerstin Westphal : »Die Entscheidung muss so schnell als möglich vollzogen werden und es muss dabei auch das zukünftige Verhältnis von Großbritannien zur EU festgelegt werden. Eine Rosinenpickerei darf es dabei nicht geben. Die Briten können nicht gleichzeitig die Vorzüge des Binnenmarktes genießen aber eine Freizügigkeit in Bezug auf die Reisefreiheit von Arbeitnehmern ablehnen. » Ferner haben die Briten noch genug eigene Hausaufgaben zu erledigen. Es zeichnet sich ab, dass die Schotten ihren eigenen Weg gehen wollen und Großbritannen verlassen, um dann in der EU zu bleiben. Dies hat die schottische Erste Ministerin Nicola Sturgeon deutlich artikuliert und auf den knappen Ausgang der Volksabstimmung von 2014 hingewiesen. Deutlich wies Westphal darauf hin, dass die Briten offensichtlich selbst noch nicht wissen, wohin die Reise geht und welche Lösung sie anstreben. Es wird unter anderem die norwegische Lösung diskutiert. Norwegen ist nicht Mitglied der EU, zahlt aber dennoch Geld in den EU-Topf und kann daher auch von den Subventionen profitieren. Die Briten möchten eventuell aber auch das Schweizer Modell. Dies wird aber von den anderen Mitgliedstaaten konsequent abgelehnt. Zwischen der Schweiz und der EU gibt es über 120 Abkommen, diese stellen sicher, dass die Schweiz nicht zum Nettozahler in die europäische Kasse wird. Die EU lehnt jedenfalls irgendwelche Vorverhandlungen mit Großbritannien ab, bevor nicht der Austrittsantrag offiziell gestellt wird. Heidi Wright erinnerte daran, dass sich die Begründer der euopäischen Union den Werten Frieden, Freiheit und Wohlstand verpflichtet haben und diese Wertvorstellungen zwischenzeitlich mehr als gefährdet sind. Als Beispiel nannte sie die Regierungen in Polen und Ungarn. Der europäische Gedanke werde durch den Egoismus einzelner Staaten zerstört. 1979 bei der ersten Wahl gab es zwar den Spruch : Hast Du einen Opa, dann schick ihn nach Europa, aber die ersten Abgeordneten waren vom europäischen Gedanken beseelt und hatten die Schrecken des zweiten Weltkrieges und die Spaltung Europas noch in Erinnerung.

Unvermeidlich kam in der Veranstaltung die Diskussion auf das Freihandelsabkommen CETA mit Kanada zu sprechen. Hier bezog Westphal klar Position. « CETA ist jetzt ausverhandelt und es wurde ein guter Kompromiss erzielt. Es wird keine privaten Schiedsgerichte geben, sondern es werden im Streitfall ordentliche Gerichte entscheiden. Die Arbeitnehmerrechte, der Umweltschutz und andere strittige Themen sind in den Zusatzprotokollen aufgenommen. » Die EU geht mit CETA weltweit einen neuen Weg und es wird keine Abkommen mehr unter diesem Level geben.

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